Boskop und Niagara

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Gedichte

»Was ich will? Zeitgeschichte verpacken, Erfahrung – erzählerisch und in poetische Weitsicht umschlagend. Ich möchte Leuchtkraft vermitteln, für Wörter und für das Leben der Leser. Nicht mehr und nicht weniger wünsche ich mir.
Erika Ruckdäschel

BOSKOP!

DETAILS ZUM BUCH

Boskop und Niagara

ISBN: 978-3-8422-4604-1
Veröffentlichung: 09/08/2018

Bindung:

48 Seiten

PREIS

6.90 Euro (D)
7.1 Euro (A)

Über den/die Autor*in

Erika Ruckdäschel, geb. 1939 in Ohrdruf/Thüringen, als Sechzehnjährige allein aus der DDR nach München gekommen. Arbeit in einem Büro, Abendgymnasium. Seit 1966 Hörspiele und Rundfunksendungen aller Art, Journalistik in München. Ab 1973 Redakteurin beim Evangelischen Presseverband München. 1983 Umzug nach Neuendettelsau/Mittelfranken, Mitarbeit in einem Diakoniewerk, jetzt in Rente. Veröffentlichungen in Zeitungen und Zeitschriften, zwölf Bücher, drei Preise. In der »edition anthrazit« des deutschen lyrik verlags (dlv) erschienen ihre Gedichtbände Das Wortbrot brechen (2016) sowie Boskop und Niagara (2018). Ein weiterer Gedichtband, Raureif & Rosmarin, erschien 2021 im deutschen lyrik verlag (dlv). In der »edition korund« des Karin Fischer Verlags erschienen ihre Erzählungen Von Maus und Frosch; Ein Disput (2022) sowie zuletzt Wie die Zeit verrinnt (2023).

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1
mir als Kind gefiel der Kirschbaum besser
er war kleiner glänzender der Stamm
rot das Leuchten seiner Früchte

aber meine Eltern
oft unterschiedlicher Meinung
priesen gemeinsam den Apfelbaum

fanden ihn stattlich
lobten die weißrosa Blütenwolke
schlafmützig kam sie mir vor

und erst die Früchte
als wären sie Kronjuwelen
das sind Boskop!

Geerntet wurde im November
bei Kälte und Wind
groß wie Kinderköpfe!

2
ins Feld schrieb meine Mutter
das doch ein Meer war
(Vater war bei der Kriegsmarine)
der Apfelbaum blüht!
er blühte auch als
blau-weiß gestreifte Männer
vorbeigetrieben wurden

lasst unbedingt das Laub liegen
wichtige Nährstoffe durch Verrotten
kam die Anweisung aus Saloniki

3
als Bomben einschlugen und
wir in unserem Keller
wenn wir schon da sind
drehten die Äpfel im Regal
aßen aber nicht alle
Vati kommt bald heim

kamen die Russen die DDR
im Kino gegenüber wir Schüler sahen
KZ Buchenwald unsre Stadt als Filiale
doch bald schon immer immer wieder
der weiße Flieder blüht

kam ein verbitterter Mann
schweigsam doch lobt er die feine Säure
nirgends auf der Welt gab’s solche Äpfel

4
später beide Töchter im Westen
verfolgt von duftenden Boskop-Paketen
noch mit seinen achtzig Jahren
stieg Vati gestern auf den Baum

wenn nun im wiedervereinten Land
die Tochter als Touristin anreist
gehört das Haus fremden Leuten
das Kino gegenüber gibt es nicht mehr
kein Elterngrab

nur der Apfelbaum
von der Straße her sichtbar
der Boskop mit der feinen Säure
Spender des besten Apfelmuses der Welt
vom Apfelwein ganz zu schweigen
mit dem festen saftigen Fruchtfleisch
tut als sei nichts gewesen

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