Philippe, Christine

Kurzer Lebenslauf

1982 in Leschkirch, Siebenbürgen geboren, kam ich mit meiner Familie 1990 nach Deutschland, lebte seither in Bad Karlshafen. Nach meinem Abitur verließ ich mit meinem französischen Freund die nordhessische Heimat aus beruflichen Gründen. Es folgten verschiedene Stationen: Berlin, Hannover, Hamburg, wo ich Bühnentanz und Tanzpädagogik lernte, meinen Freund heiratete und schließlich eine Familie gründete. Mit unseren zwei Kindern lebten wir zuletzt 10 Jahre in Mettmann, bevor wir 2019 wieder zurück zu der Familie nach Bad Karlshafen zogen.

In meiner rumänischen Heimat hat mich die Natur sehr geprägt, das freie Spielen draußen, das einfache Leben ohne technische Hilfsmittel und das Leben mit dem Kirchenjahr sowie die starke Dorfgemeinschaft und Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen.

Zuletzt herrschte dann Revolution, bei der Ceausescu gestürzt wurde. In der Stadt wurde gebombt und wir durften uns nicht versammeln. Man sagte uns Kindern, sonst würde aus der Luft auf uns geschossen werden. Unfassbar stand die Bevölkerung und schaute sich immer wieder die Hinrichtung des Diktators an und konnte nicht verstehen, nicht glauben, dass sie nun frei sein sollten. Daraufhin sind sehr viele Sachsen als »Heimkehrer« nach Deutschland ausgewandert.


Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Die schwere geistige Behinderung und Epilepsie meiner Tochter begleitete mein Leben und stellte mich immer wieder vor große Herausforderungen. Nicht selten spielte sich mein Leben zwischen Krankenhäusern und Tanzräumen ab, was mir sehr viel Substanz abverlangte. Nach einem erneuten gesundheitlichen Rückschlag meiner Tochter in der Coronazeit fing ich an zu wandern, um in der Natur zur Ruhe zu kommen und Kraft für den Alltag zu finden. Etwa ein Jahr später fing ich dann, überwältigt von der heilenden Wirkung der Natur, mit dem Schreiben an. Auch das Schreiben selbst hat eine große heilende Wirkung auf mich.

Ist dies Ihre erste Veröffentlichung?

Ja! Es war nicht so geplant, es hat sich einfach entwickelt.

Was waren Ihre Beweggründe, dieses Buch zu schreiben?

Ich habe versucht, mich durch die Wirkung der Natur von inneren und äußeren Zwängen zu befreien und aus mir heraus zu wachsen. Die Gedanken kamen durch das Wandern an die Oberfläche wie Kohlensäurebläschen. Sie aufzufangen, zu formulieren und in einem Gedicht »abzuschließen« hatte eine klärende und befreiende Wirkung auf mich. Ein Gedanke, der verarbeitet war, machte Platz für andere, und so konnte ich Angestautes in Bewegung bringen, körperlich wie geistig.

Die Wirkung der Natur, der Jahreszeiten, sowie das Geschehen auf der Welt und in meinem Umfeld mischten sich unter meine Gedanken. So finden sich in den Gedichten sowohl Gedanken wie etwa zum Krieg oder zum Klima, zu Krankheit und Heilung, zum Menschen als Teil der Gesellschaft sowie auch als Teil des Universums, aus der Zeit herausgenommen, sowie Erinnerungen aus der Kind- und Jugendzeit und Gedanken zum Menschen als Teil der Natur und zum Sinn des Lebens an sich.

Ich merkte, dass ich auf dem Weg war, nicht weniger als dem Leben selbst auf die Spur zu kommen und ihm ein paar Geheimnisse zu entlocken, den Gefühlen auf den Grund zu gehen und dadurch ein neues Bewusstsein zu erlangen, das mich von innen stärkt und Mut und Kraft für die Herausforderungen des Lebens gibt.

Gab es einen Antrieb aus dem Familien- oder Freundeskreis, das Buch zu veröffentlichen?

Die Reaktion in meinem Umfeld auf die Gedichte war erstaunlich. Die Gedichte sind einfach zugänglich und so »wahr« und »echt«, weil authentisch, dass es leichtfällt, sich in ihnen wiederzufinden. Durch sie führte ich Gespräche, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte. Sie bauten eine Brücke zwischen Menschen, egal ob jung oder alt, die es leichter machte, über Gefühle und wahrhaftigste und elementare Gedanken zu sprechen.

Es kamen Reaktionen wie: »Am liebsten würde ich immer weiterlesen«, oder »Ich muss das immer wieder lesen«. Mir geht es genauso, die Gedichte geben auch mir immer wieder Impulse und regen mich zum Weiterdenken oder Betrachten aus einer anderen Perspektive an. Und ja, die Idee, die Gedichte als Buch herauszubringen, kam nicht zuerst von mir, sondern von verschiedenen Seiten aus meinem Umfeld, aber wer will denn nicht gerne seine gesammelten Gedichte als Band in den Händen halten?

Haben Sie bereits ein neues Buch in Planung?

Naja, mal sehen. Ich schreibe immer weiter, wenn ich mich dazu inspiriert fühle, oder sich ein Gedanke aufdrängt, ich plane das nicht. Es hängt also ganz von dem Ergebnis ab! Es gibt inzwischen aber durchaus noch einige Gedichte, die mir sehr am Herzen liegen, die ich gerne mit in den Band aufgenommen hätte. Aber das reicht noch nicht für einen eigenen Band. Sowas braucht Zeit.

Wo schreiben Sie am liebsten?

Beim Wandern! Meistens sogar während ich gehe. Da geraten die Gedanken ins Fließen, während sie eher kreisen, wenn ich stehen bleibe. Hinterher setze ich mich dann hin und überarbeite den Rohling natürlich, aber das hat meist mit Rhythmus und Äußerlichkeiten zu tun, weniger mit dem Inhalt an sich. Manchmal spüre ich, dass ein Gedanke sich aufdrängt und dann nehme ich mir extra Zeit, rauszugehen, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu zeigen, zu entwickeln. Verpasse ich den Moment, dann geht auch mancher wertvolle Gedanke oder eine Formulierung verloren. Aber wichtige Gedanken finden ihren Weg an die Oberfläche früher oder später.

Was lesen Sie selbst gerne für Bücher?

Ich lese gerne Bücher, die helfen, den Gefühlen auf den Grund zu gehen, dem, was einen Menschen ausmacht, dem, was uns Angst macht oder Hoffnung gibt, woraus wir unser Vertrauen ziehen. Bücher, in denen ich mich wiederfinden kann und etwas über das Wesen des Menschen an sich lernen kann. Es gibt so viele Dinge, über die man nachdenken kann.

Zu den letzten Büchern, die ich mit offenem Herzen gelesen habe, zählen:

»Leonard und Paul« von Ronan Hession, »Wie ein Herzschlag auf Asphalt« von Deb Caletti, »Ein ganzes Leben« von Robert Seetaler, oder »Zwei alte Frauen« von Velma Wallis.

Ich lese aber auch Bücher, die Krieg und Gewalt thematisieren, wie »Schützenhilfe« von Jonas Kratzenberg oder »Die Logik des Wahnsinns« von Thomas Brey, um zu verstehen, wie es Menschen schaffen, ein solches Maß an Gewalt auszuhalten, oder sogar selbst solche Gewalt auszuüben, die oft weit über den eigentlichen Akt des Tötens und Kriegführens hinausgeht. Woher sie erneut Hoffnung schöpfen, wie in »Der Geschichtensammler« von Thomas Franke. Lange Zeit habe ich Bücher über den Krieg gemieden, ich hatte einfach das Gefühl, es nicht zu verkraften. Aber ich finde es wichtig, mich an das Thema heranzutasten. »Die Bücherdiebin« von Markus Zusak gehört zu den Büchern auf meiner Lieblingsliste, auch »Die Rosenzüchterin« von Charlotte Link.

Zu meinen absoluten Langzeit-Lieblingsbüchern zählen »Stein und Flöte« von Hans Bemmann und »Von der Schönheit des Guten« von Ralph Waldo Emerson.

Zwischendurch lese ich gern mal Romane wie aktuell »Mariana« von Susanna Kearsley oder zuletzt auch »Pfoten weg« von Hape Kerkeling. Das lockert ein wenig auf.

Zurzeit lese ich noch in einem Band über Autismus bzw. Herausforderndes Verhalten aufgrund der Krankheit meiner Tochter und als Nächstes wartet »Eine kurze Geschichte der Menschheit« von Yuval Noah Harari, der mich in einem Interview sehr beeindruckt hat.

Vor ein paar Tagen las ich den Gedichtband meines Nachbars mit großer Freude.

Das, was einem das Leben so anbietet, das formt den Weg, den man geht.

Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?

Neben Lesen, Tanzen und Wandern erfüllt mich sehr die Gartenarbeit. Ich bin einfach ein Landkind und dahin zieht es mich immer wieder, vor allem, weil ich dort zur Ruhe finde. In schweren Momenten, wie etwa als mein Opa starb, hat die Gartenarbeit mich wieder aufgefangen und mir Trost gespendet. Ich habe einen Baum gepflanzt und dann ging es mir viel besser. Früher habe ich viel gezeichnet und gemalt, das kommt mir vor, als wäre es in einem anderen Leben gewesen, aber auch das kommt immer mal wieder durch. Durch Kunst kann man Gefühle transportieren und verarbeiten, egal ob es Musik, Tanz, Malerei oder eben das Schreiben ist. Sie alle sind wunderbare Möglichkeiten, einem inneren Drängen Ausdruck zu verleihen.

Dieses Interview darf unter Angabe der Quelle (Karin Fischer Verlag 2024) verwendet werden.

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