Honefeld, Claudia

Über den/die Autor*in

Die Autorin ist Küstenkind, lebt und arbeitet seit 2008 in Katalonien. Magister Studium der Geschichts- und Politikwissenschaft in Hamburg und Salamanca. Neben ihrer Leidenschaft der Erforschung des Spanischen Bürgerkrieges geht die dreifache Mutter ihrem Broterwerb überwiegend in der freien Bildungsarbeit nach. Als Unternehmensgründerin hat sie drei Jahre lang als Präsidentin einer Landkooperative gearbeitet.

Ein kurzes Interview mit der Autorin:

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Das Schreiben ist zu mir gekommen! Und zwar als intensives Kommunikationsmedium zwischen mir und meiner Oma und dann mir und meiner besten Freundin. Obwohl wir in der gleichen Stadt wohnten und uns nahezu täglich gesehen haben, bot das schreibende Austauschen einen besonderen Reiz, unseren Gedanken eine Tiefe und Verbindlichkeit zu verpassen. Und letztlich hat mich das Lesen zum Schreiben geführt. Bereits als Jugendliche war ich fasziniert von der Macht der poetischen Bilder, die scheinbar zeitlos in Gedichten und Theaterstücken in Wortform gegossen wurden.
Die Freiheit der ewigen Lyrik, auf noch jedes System Druck aufzubauen, auch die Klassenfrage zu stellen, hat mir immer imponiert. Deshalb speist sich meine Leidenschaft für Lyrik (zu lesen und zu schreiben!) vor allem aus zwei Quellen:
Erstens die immerwährende Freiheit der Kunst, Kritik zu ästhetisieren und zu kommunizieren. In diesem Sinne sind Tucholsky, Ringelnatz, Brecht, Beckett und bell hooks meine literarischen Helden.
Die zweite Quelle ist die Zeitlosigkeit der Schönheit der Poesie, des Wortspiels. Ich bewundere deshalb alte, ja antike Gedichte und Geschichten, genauso wie politischem Hip Hop als rettendes Mutterschiff, das die poetischen Reime ins nächste Jahrtausend befördert hat.

Ist dies Ihre erste Veröffentlichung?
Im Bereich Lyrik ist es mein Debüt.

Schreiben Sie schon länger?
Schreiben ist eher natürlicher Bestandteil des Berufsfeldes der Historikerin. Da ich in der freien Erwachsenenbildung tätig bin, schreibe ich überwiegend Fortbildungsmaterial und Artikel für einen eher internen Lesezirkel.

Was waren Ihre Beweggründe, dieses Buch zu schreiben?
Gedichte zu schreiben war für mich immer so eine Art von Therapie und intime Kommunikation. Ich habe durchaus lange gehadert, meine Gefühle zu veröffentlichen. Aber das Private ist und bleibt politisch. Darum sind auch meine Emotionen politisch – die daraus entstandenen Gedichte sind mein persönliches Verdauen vom Zeitgeschehen.
Mein ganz normales Leben als Arbeitertochter, als Frau, Schwester und Partnerin, als Akademikerin und Aktivistin, als Mutter, als Selbstversorgerin, mich im ganz unnormalem Wahnsinn der Welt durch Schreiben, zu verorten.

Gab es einen Antrieb aus dem Familien- oder Freundeskreis, das Buch zu veröffentlichen?
Ja, durchaus. Die Menschen aus meinem engsten Umfeld, die meine Gedichte aufgetischt bekommen haben, haben mich immer darin bestärkt, fleißig weiter Buchstabensuppe zu kochen und haben mich motiviert, mehr Leuten mein Menü zu servieren. Letztlich hat mich die Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Annie Ernaux dazu verleitet, meine poetischen Schriften nicht in der Schublade zu lassen. Mich fasziniert, wie Ernaux ihre Wunden öffentlich verarbeitet und ihre persönliche Erinnerung im kollektiven Gedächtnis zu finden sucht.

Woher kam die Idee/die Inspiration zu Ihrem Buch?
Ich bin auch auf der Suche. Und manchmal finde ich dann späte Worte, die ich in der Blüte des jugendlichen Leichtsinns noch nicht kannte. Auch ohne Begriffe für Klasse, Queerness und Polygamie im Kopf gehabt zu haben, aber krachend scheiternd erlebt.
Trennungen, ob beruflich, von Wohnprojekten, oder von offenen Beziehungen und anderen Arten von Partnerschaften, haben mich genauso beschäftigt wie die Dramen der politischen Weltbühne. Gescheitertes Nationbuilding, gescheiterte Flucht. Gescheiterte soziale Bewegungen. Gescheiterte Politiken. Gescheitert beim Ackerbau und beim akademischem Schuften. Gescheiterte geteilte Elternschaft.
Scheitern ist, sowohl im individuellem wie kollektiven Erfahren, immer relativ. Das Sujet des Scheiterns hat unzählbare wunderbare Werke der Weltliteratur inspiriert.
Suche ist Inspiration. Ich suche seit langem Worte für Scheitern und daraus ist nun ein unschönes Gedicht geworden. Die Worte, die ich für die Hässlichkeit der Welt und das Scheitern gefunden habe, wollte ich dann doch teilen.

Haben Sie bereits ein neues Buch in Planung?
Ja, weil mir Schreiben durchaus ein Bedürfnis ist.

Können Sie schon etwas darüber verraten?
Kollektivität, wird ein großes Thema sein.

Wo schreiben Sie am liebsten?
An meinem Schreibtisch, auf Augenhöhe mit alten Baumkronen.

Haben Sie bestimmte Schreibrituale?
Manchmal brauche ich laute Musik, um mich in den Schreibrausch zu treiben.

Was lesen Sie selbst gerne für Bücher?
Je nach Stimmung und Uhrzeit, Fachliteratur, Gedichte, Krimis, kurzweiliges und autobiografisches Allerlei.

Was ist Ihr Lieblingsbuch?
Eigentlich kann es keine Reduktion der Flut mehr tausendjährigen Denkens, auf einen einzigen Titel geben. Aber könnte ich nur ein Buch aus meinem Bücherschatz retten, so würde die Wahl auf Marc Blochs Apologie der Geschichtswissenschaft fallen. Ein kulturwissenschaftliches Meisterwerk im Widerstand entstanden, vermittelt bis heute gültige geistige Werkzeuge kritischen Denkens.

Welches Buch liegt aktuell auf Ihrem Nachttisch?
Selten liegt dort nur eines. Da mein Alltag von Mehrsprachigkeit und Kindern geprägt ist befinden sich gerade das Tagebuch einer Killer Katze (A. Fine/A. Scheffler); Romancero gitano (Lorca); The last to fall (John Wainright); Überwindung des Schweigens (Silke Huehneke) und El futuro en tus manos (Jean Grave) auf dem Nachttisch.

Haben Sie manchmal Schreibblockaden? Was tun Sie, um diese zu lösen?
Wenn möglich, den Schreibtisch verlassen und raus in die Natur. Wenn nicht, dann verworfene Gedanken doch zu lassen, ausschreiben. Diese über Nacht stehen lassen. An etwas anderem weiterschreiben. Und dann mit neuen Augen wieder darauf schauen.

Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?
Mit und ohne Kinder und Hunde Berge und Meer erleben.

Dieses Interview darf unter Angabe der Quelle (Karin Fischer Verlag 2023) verwendet werden.

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